Immer öfter taucht die Forderung der Gastrobranche auf, auch den Im-Haus-Verzehr mit reduzierten 7 % MwSt. zu veranlagen. Verschiedene Gründe werden dazu genannt. Vor ein paar Wochen las ich dazu einen sehr interessanten Bericht in der Zeit, allerdings nicht aus Sicht der Verbraucher betrachtet, z. B. der Besuch wird günstiger, sondern aus Sicht der Gastronomen. Tenor: keiner glaubt wirklich daran, dass eine MwSt.-Senkung auch die Preise in den Restaurants deutlich senken würde, sondern vielmehr daran, dass diese Maßnahme zwingend notwendig sei, um die Magen der Gastronomen endlich wieder auskömmlich zu gestalten. Man könnte auch sagen: um ein weiteres Sterben der Betriebe zu verhindern, ist es zwingend notwendig, dass auch kleinere Gastronomen endlich wieder passend Geld verdienen können.
Ich kann das gut nachvollziehen: höhere Materialpreise, immer noch sehr hohe Energiekosten und dazu gestiegene Lohnkosten konnten nicht 1:1 in den Verkaufspreisen abgebildet werden, da die Schmerzgrenze vieler Verbraucher erreicht ist. Also drückt das auf die Mage. Ein befreundeter Gastronom fasste das so zusammen: „Ich arbeite wie noch nie und am Ende reicht es gerade mal so. Gerne würde ich meine Leute noch besser bezahlen und auch in meinen Betrieb mehr investieren, das ist aber alles nicht drin.“
Ich bin sicher, das dürfte vielen handwerklichen Kollegen irgendwie bekannt vorkommen. Kurz: hätten die Gastronomen mit Ihrer Forderung Erfolg, würden alle im Land auf Dauer davon profitieren und auch wir hätten es wieder einfacher bei den Party-Service Rechnungen.
Der Staat kann privilegieren, z. B. sind Landwirte beim Baurecht im Außenbereich privilegiert und einige Berufsgruppen beim Renteneintrittsalter (Bergbau 62 Jahre, Piloten ab 55 Jahren). Dies sind nur 2 Beispiele. Ich wünsche mir eine deutliche staatliche Privilegierung von regionalen, handwerklichen Lebensmittelproduzenten (z. B. Fleischer, Bäcker, Müller, Molkereien, Käsereien).
Die exakte Definition dieser Betriebe ist sicherlich schwierig, aber machbar (beispielsweise inhabergeführt könnte eine Messlatte sein). Ziel sollte der faire Ausgleich zur industriellen Lebensmittelerzeugung mit ihren deutlich geringeren Stückkosten sein und so die handwerkliche Lebensmittelerzeugung sichern. Diese besonders wertvolle, dezentrale handwerkliche Struktur ist nicht nur extrem wichtig im Krisenfall, sondern auch bei der Erhaltung der kulinarischen Vielfalt als Kulturgut in unserem Land. Zusätzlich spielen aber auch andere Themen wie der Erhalt von qualifizierten Arbeitsplätzen in ländlichen Regionen eine wichtige Rolle. Ich möchte mit Euch nun Ideen für eine Privilegierung sammeln und diese dann auch weiterreichen. Mein Beitrag zu dieser Ideen-Sammlung: Senkung der MwSt. aus Betrieben wie oben genannt auf 3,5 %, Abschaffung der Zwangsmitgliedschaft bei den Berufsgenossenschaften zugunsten eines Wahlrechts bei der Arbeitnehmerunfallversicherung.
Und jetzt kommt es auf Dich an. Schreib ein Kommentar und nenne Deine Ideen. Ich trage diese dann zusammen und überreiche diese unserem Verband und ggf. weiteren politischen Entscheidungsträgern. Mach das bitte JETZT, danke!
Lieber Volker!
Das ist ein starkes und sehr gut begründetes Plädoyer – und eines, das aus meiner Sicht unbedingt gehört und unterstützt werden sollte.
Lass mich Deine Punkte zunächst kommentieren:
1. Senkung der MwSt. im Im-Haus-Verzehr (Gastronomie) dauerhaft auf 7 %:
Die Gastrobranche ist systemrelevant für unsere Innenstädte, das soziale Miteinander und die regionale Wertschöpfung. Die temporäre Senkung während der Corona-Zeit hat bereits gezeigt, dass dies eine wirksame Unterstützung ist – nicht zwingend zur Preissenkung für Gäste, sondern zur Existenzsicherung der Betriebe. Genau darum geht es auch: nicht um „Rabattdenken“, sondern um **faire wirtschaftliche Rahmenbedingungen**, damit Gastronomen nicht nur überleben, sondern investieren und ihre Mitarbeiter fair entlohnen können.
2. Mehrwertsteuer-Sonderregelung für handwerkliche Lebensmittelhersteller:
Die vorgeschlagene **MwSt.-Senkung auf 3,5 %** für regionale, handwerklich produzierende Betriebe ist ein mutiger und interessanter Vorschlag. Ich würde ihn unterstützen, vor allem in Kombination mit klaren Kriterien wie:
– Inhabergeführte Struktur
– Produktion vor Ort
– Transparente Herkunft der Rohstoffe
– Qualifizierte Ausbildung im Betrieb
Problem: So ein Konstrukt könnte zu weiterer Bürokratie führen, wenn die Kriterien nachgewiesen werden müssen. Findige Industriebetriebe finden vielleicht Wege, sich die Vorteile zu erschleichen.
3. Flexibilisierung der Berufsgenossenschaftsmitgliedschaft:
Die Abschaffung der Zwangsmitgliedschaft bei den Berufsgenossenschaften ist ein diskutabler Punkt – hier wäre ein „Wahlrecht mit Qualitätsstandards“ denkbar. Die Pflichtversicherung an sich schützt viele, aber die Monopolstellung bremst Innovation und Flexibilität. Bei Kraftfahrzeugen gibt es ebenfalls einen Zwang zur Haftpflichtversicherung bei gleichzeitiger Wahlfreiheit der Versicherungsgesellschaft.
4. Weitere denkbare Ideen:
– Investitionszuschüsse für handwerkliche Lebensmittelbetriebe, insbesondere für Energieeffizienz, Digitalisierung und Direktvermarktung.
– Bürokratieabbau bei Dokumentationspflichten, z. B. im Lebensmittelrecht, bei gleichzeitiger Stärkung von Beratung statt Kontrolle.
– Bevorzugung bei öffentlichen Ausschreibungen (Kantinen, Schulen, Kitas etc.) für regional-handwerklich arbeitende Betriebe.
– Reduzierung der Berichtspflicht an Statistische Landes- und Bundesämter
5. Politische Anerkennung des „Handwerks im Lebensmittelbereich“ als Kulturgut:
Was für Denkmäler, Theater und Museen gilt, sollte auch für unsere traditionellen Lebensmittelmacher gelten:
Bewahrung und aktive Förderung durch staatliche Stellen – etwa durch Regionalförderprogramme oder eine eigene Schutzkategorie im Sinne des UNESCO-Weltkulturerbes.
Fazit:
Wir brauchen keine Subventionen für Massenproduktion, sondern gezielte, intelligente Förderung für die, die mit Herz, Verstand und Hand echte Lebensmittel herstellen. Die vorgeschlagenen Maßnahmen sind ein erster und richtiger Schritt, damit diese Betriebe wieder Luft zum Atmen haben.
Ich werde noch ein bisschen nachdenken und hoffentlich noch weitere Ideen hier posten!
Gruß
Frank
Moin Frank, vielen Dank für Deine ausführlichen Überlegungen!
Bitte helfe mit, dass diese Aktion unter möglichst vielen Kollegen verbreitet wird und sprich die Dir bekannten Kollegen (und andere Interne) gezielt an. Ich versuche das jetzt schon eine längere Zeit und habe dein Eindruck, dass viele so resigniert sind, dass sich nicht einmal die Kraft aufbringen, Stellung zu solchen Themen zu nehmen. Es funktioniert aber nur, wenn eine starke Kollegenschaft sich diesem wichtigen Punkten annimmt. Also: verbreite das Anliegen bitte fleißig und ich bin schon sehr gespannt, welche Ideen da noch kommen!
Schöne Grüße
Volker
Ja Volker, ich unterstütze Dich natürlich gerne. Aber das Thema mit der Resignation ist wahrlich zugegen. Ich gebe Dir mal ein Beispiel: Unsere kleine Fleischerei muss derzeit fast eine Viertelmillion Euro an Energiekosten pro Jahr berappen. Durch die Ukrainekriese und die grünen Ideen der Ampelregierung ist das sprunghaft angestiegen. Nun gibt es bald eine neue Regierung und man verspricht „deutliche“ Senkungen der Energiepreise. Meine überschlägige Rechnung ergibt mögliche Einsparungen von vielleicht 1000 Euro im Monat, ab dem Zeitpunkt wenn neue Gesetze und Regelungen greifen, also vielleicht zum Ende diesen Jahres oder irgendwann nächstes Jahr. Das ergibt also IRGENDWANN mal wenige Prozent Einsparung. Bis dahin sind andere Kosten lägst wieder gestiegen oder die zunehmende co2-Abgabe schlägt das mehrfache obendrauf. Für mich entsteht bereits ein Bild, dass sich die Situation nur weiter verschlimmern wird, niemals jedoch etwas verbessern wird.
Gruß
Frank
Hallo Volker,
Ich habe mir noch einmal Gedanken gemacht und mir ist sofort ein wichtiges Thema eingefallen:
Du hast die Landwirtschaft als Beispiel für staatliche Subventionen genannt – und das ist sicherlich das Erste, woran viele von uns denken, wenn von Fördermitteln die Rede ist. Doch die Realität sieht leider ganz anders aus und zeigt deutlich, wie weit Anspruch und Wirklichkeit auseinanderklaffen.
Statt bäuerlicher Familienbetriebe oder „unserer Landwirte“ profitieren von den riesigen Fördertöpfen in erster Linie große Organisationen und staatliche Einrichtungen. Es ist ein Paradebeispiel dafür, wie Subventionssysteme aufgebaut werden, die am Ende von denen kassiert werden, die ohnehin schon über erhebliche Ressourcen verfügen – und nicht von jenen, für die die Unterstützung eigentlich gedacht war.
Eine kurze Google-Suche genügt, und man stößt auf erschütternde Zahlen. Hier die größten Empfänger von Agrarsubventionen im Jahr 2023:
– Landesbetrieb für Hochwasserschutz und Wasserwirtschaft (LHW), Magdeburg – 32.265.193,53 €
– Bayerisches Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft, Forsten und Tourismus (StMELF), München – 19.099.787,48 €
– Landesbetrieb für Küstenschutz, Nationalpark und Meeresschutz Schleswig-Holstein (LKN.SH), Husum – 13.020.373,19 €
– Zweckverband Breitband Altmark, Salzwedel – 12.978.161,80 €
– Ministerium für Wirtschaft, Infrastruktur, Tourismus und Arbeit Mecklenburg-Vorpommern – 12.586.587,87 €
– Landesamt für Umwelt (LfU), Potsdam – 11.613.460,09 €
– NLWKN, Niedersächsischer Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz – 11.119.341,91 €
– Ministerium für Ernährung, Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Baden-Württemberg – 8.993.969,55 €
– Sächsisches Staatsministerium für Energie, Klimaschutz, Umwelt und Landwirtschaft – 7.993.081,81 €
– Staatliches Bau- und Liegenschaftsamt Rostock – 6.967.956,60 €
Hier fällt eines besonders auf: Der Staat selber empfängt diese Subventionen. Oder als Beispiel: Der „Zweckverband Breitband Altmark“. Was hat der Glasfaserausbau in der Förderung der Landwirtschaft zu suchen?
Das hat mit gezielter Unterstützung der Landwirtschaft nur noch wenig zu tun. Stattdessen scheint ein Großteil der Mittel im bürokratischen Kreislauf zu versickern. Diejenigen, die diese Summen über Steuern und Abgaben überhaupt erst erwirtschaften – also der Mittelstand – bleiben außen vor.
Solange Förderungen in dieser Form verteilt werden, wird sich für die tatsächlichen Leistungsträger unseres Landes wenig ändern. Der einzige Ausweg kann nur sein: den Staatsapparat konsequent und tiefgreifend verschlanken.
Viele Grüße
Frank
Ein Gedankenspiel zum Thema, aus einem anderen Blickwinkel.
Ich möchte das einmal aus Verbrauchersicht aufrollen. Wenn der Kunde mehr und öfter bei von regionalen, handwerklichen Lebensmittelproduzenten (z. B. Fleischer, Bäcker, Müller, Molkereien, Käsereien) einkaufen geht, haben die jeweiligen Unternehmen etwas davon.
Es muss also ein Anreiz geschaffen werden, dass der Kunde öfter einkaufen kommt. Ich denke da an ein einfaches System, dass der Verbraucher seine Quittungen digital sammelt und diese zusammen mit dem Lohnsteuerjahresausgleich einreicht. Er bekommt dann die gesamte -oder einen Großteil – der Mehrwertsteuer zurück. So genießt der Kunde das Privileg Geld zu bekommen, wenn er beim regionalen, handwerklichen Lebensmittelproduzenten (z. B. Fleischer, Bäcker, Müller, Molkereien, Käsereien). Seine Lebensmittel holt.
Die Betriebe sollten über ein Portal registriert sein und die Belege der Kunden können dort eingereicht werden.
Ich bin jetzt kein Steuerfachmann der beurteilen kann, ob das möglich ist. Vermutlich gibt es eine Klagewelle, Einsprüche von anderen Verbänden und keine Menschen, die das bearbeiten